Wirklich beeindruckend: Panikattacken

Mir ging es gar nicht gut, als ich vor 16 Jahren zuletzt in Weimar war. Ich erinnere mich gut daran! Heute bin ich wieder in Weimar und nehme das zum Anlass nochmal darüber zu berichten, was ich 2008 erlebte, was damals begann und was daraus geworden ist.

Plötzlich Panik

Weimar (und Jena) sollte damals die erste Station auf unserer Familien-Urlaubsreise sein. Mein Vater hatte eingeladen, um seinen 60sten Geburtstag dort zu feiern. Auf der Fahrt dorthin, es war in einem Autobahn-Stau in einer Baustelle, hatte ich eine Panikattacke. Das erste Mal. Ich dachte ich bekomme keine Luft mehr, wurde unruhig … mein Herz klopfte wild, kalter Schweiß, Schwindel … ich dachte ich kippe um …. oder werde ich jetzt sterben – was ist da los!?

Es war einfach nur ganz schrecklich. Ich bin noch bis zum nächsten Parkplatz, ab dort ist meine Frau Jutta gefahren. Ich habe irgendwie versucht, diese beklemmenden Gefühle die Weiterfahrt über auszuhalten.

Abbruch und zurück nach Hause

Auch in Jena und Weimar in den nächsten Tagen, wurde es nur wenig besser.
Wir haben noch versucht weiter in Richtung unseres Urlaubsziels in Italien zu reisen, mussten aber auf halber Strecke aufgeben. Bei einem geplanten Übernachtungs-Stopp in einer Jugendherberge in Ottobeuren konnte ein dorthin gerufener Arzt mir mit leichten beruhigenden Mitteln, die Symptome etwas lindern, so dass wir Tags darauf weiter reisen konnten- Anstatt zum Urlaubsort, wieder zurück nach Hause.

Die Panikattacken, Unruhe und Beklemmungen kamen noch wochenlang in Situationen, die ich nicht selbst unter Kontrolle hatte. Ich konnte nur schlecht Bahnfahren, mit dem Auto im Stau stehen, in der Schlange an der Kasse warten.

Was war passiert?

Was war da passiert? Woher kamen diese Panikattacken plötzlich? Zu viel Arbeit? Das könnte sein. Zwei kleine Kinder? Das könnte auch sein. Viel Verantwortung? Das ebenso.

Ich hatte damals schon irgendwie das Gefühl, dass es vielleicht mit Marcel, meinem behinderten Bruder zu tun hat. Hatte der 60ste Geburtstag und die Ungewissheit vor dem was da an Bruder-Verantwortung auf mich zukommen wird damit zu tun?

Mir ist es damals gelungen, mich innerhalb der drei wöchigen Urlaubszeit (jetzt daheim) wieder soweit herzurichten, dass ich nach dem Urlaub einfach wieder arbeiten konnte.

Seit dem war alles anders

Seit dieser Erfahrung war es anders. Ich war angeschlagen, markiert. Ich hatte erlebt, wie es ist Panikattacken zu empfinden. Es ist schrecklich. Diese Erkenntnis hat mich ab da jahrelang begleitet. Diese Angst vor der Angst ist wahnsinnig einschränkend, immer und überall sind die Gedanken daran präsent: Wann kommt die nächste Attacke?

Es war wahrscheinlich vorhersehbar, dass ich mich noch einmal tiefer damit auseinandersetzen musste. Weil ich es selbst aktiv nicht angegangen bin, haben mich die Panikattacken und Beklemmungen dann ein paar Jahre später wieder eingeholt. Das war 2013 und ich habe mir dann professionell Hilfe gegönnt, war einige Wochen in einer psychosomatischen (Tages-) Rehaklinik und habe den Hintergründen versucht nachzuspüren. Ich glaube mit Erfolg. Ich habe für mich festgestellt, dass meine Situation als Bruder eines Menschen mit Behinderung mich stark beeinflusst. Damals wie heute.

Neues kann entstehen

Das Ende des Reha-Aufenthalts war auch der Anfang von „erwachsene-geschiwster.de“. Ich musste mich unbedingt weiter mit anderen Geschwistern austauschen. Über Sorgen, Nöte, Bedarfe und Ängste. Ich lerne Amir kennen. Und weil es keine Angebote für erwachsene Geschwister gab, haben wir selbst eins ins Leben gerufen. Mittlerweise treffen sich überall in Deutschland und online hunderte erwachsene Geschwister und tauschen sich aus. Schon zehn Mal hat das große Geschwistermeeting in Köln stattgefunden.

Austausch ist heilsam! 

Diese Geschichte konnte ich auch in einer Dokumentation in der Reihe „Menschen hautnah“ erzählen. Die Doku „Wenn Geschwister eine Behinderung haben“ ist im WDR Doku-Kanal zu finden.

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