Wirklich beeindruckend: Panikattacken

Mir ging es gar nicht gut, als ich vor 16 Jahren zuletzt in Weimar war. Ich erinnere mich gut daran! Heute bin ich wieder in Weimar und nehme das zum Anlass nochmal darüber zu berichten, was ich 2008 erlebte, was damals begann und was daraus geworden ist.

Plötzlich Panik

Weimar (und Jena) sollte damals die erste Station auf unserer Familien-Urlaubsreise sein. Mein Vater hatte eingeladen, um seinen 60sten Geburtstag dort zu feiern. Auf der Fahrt dorthin, es war in einem Autobahn-Stau in einer Baustelle, hatte ich eine Panikattacke. Das erste Mal. Ich dachte ich bekomme keine Luft mehr, wurde unruhig … mein Herz klopfte wild, kalter Schweiß, Schwindel … ich dachte ich kippe um …. oder werde ich jetzt sterben – was ist da los!?

Es war einfach nur ganz schrecklich. Ich bin noch bis zum nächsten Parkplatz, ab dort ist meine Frau Jutta gefahren. Ich habe irgendwie versucht, diese beklemmenden Gefühle die Weiterfahrt über auszuhalten.

Abbruch und zurück nach Hause

Auch in Jena und Weimar in den nächsten Tagen, wurde es nur wenig besser.
Wir haben noch versucht weiter in Richtung unseres Urlaubsziels in Italien zu reisen, mussten aber auf halber Strecke aufgeben. Bei einem geplanten Übernachtungs-Stopp in einer Jugendherberge in Ottobeuren konnte ein dorthin gerufener Arzt mir mit leichten beruhigenden Mitteln, die Symptome etwas lindern, so dass wir Tags darauf weiter reisen konnten- Anstatt zum Urlaubsort, wieder zurück nach Hause.

Die Panikattacken, Unruhe und Beklemmungen kamen noch wochenlang in Situationen, die ich nicht selbst unter Kontrolle hatte. Ich konnte nur schlecht Bahnfahren, mit dem Auto im Stau stehen, in der Schlange an der Kasse warten.

Was war passiert?

Was war da passiert? Woher kamen diese Panikattacken plötzlich? Zu viel Arbeit? Das könnte sein. Zwei kleine Kinder? Das könnte auch sein. Viel Verantwortung? Das ebenso.

Ich hatte damals schon irgendwie das Gefühl, dass es vielleicht mit Marcel, meinem behinderten Bruder zu tun hat. Hatte der 60ste Geburtstag und die Ungewissheit vor dem was da an Bruder-Verantwortung auf mich zukommen wird damit zu tun?

Mir ist es damals gelungen, mich innerhalb der drei wöchigen Urlaubszeit (jetzt daheim) wieder soweit herzurichten, dass ich nach dem Urlaub einfach wieder arbeiten konnte.

Seit dem war alles anders

Seit dieser Erfahrung war es anders. Ich war angeschlagen, markiert. Ich hatte erlebt, wie es ist Panikattacken zu empfinden. Es ist schrecklich. Diese Erkenntnis hat mich ab da jahrelang begleitet. Diese Angst vor der Angst ist wahnsinnig einschränkend, immer und überall sind die Gedanken daran präsent: Wann kommt die nächste Attacke?

Es war wahrscheinlich vorhersehbar, dass ich mich noch einmal tiefer damit auseinandersetzen musste. Weil ich es selbst aktiv nicht angegangen bin, haben mich die Panikattacken und Beklemmungen dann ein paar Jahre später wieder eingeholt. Das war 2013 und ich habe mir dann professionell Hilfe gegönnt, war einige Wochen in einer psychosomatischen (Tages-) Rehaklinik und habe den Hintergründen versucht nachzuspüren. Ich glaube mit Erfolg. Ich habe für mich festgestellt, dass meine Situation als Bruder eines Menschen mit Behinderung mich stark beeinflusst. Damals wie heute.

Neues kann entstehen

Das Ende des Reha-Aufenthalts war auch der Anfang von „erwachsene-geschiwster.de“. Ich musste mich unbedingt weiter mit anderen Geschwistern austauschen. Über Sorgen, Nöte, Bedarfe und Ängste. Ich lerne Amir kennen. Und weil es keine Angebote für erwachsene Geschwister gab, haben wir selbst eins ins Leben gerufen. Mittlerweise treffen sich überall in Deutschland und online hunderte erwachsene Geschwister und tauschen sich aus. Schon zehn Mal hat das große Geschwistermeeting in Köln stattgefunden.

Austausch ist heilsam! 

Diese Geschichte konnte ich auch in einer Dokumentation in der Reihe „Menschen hautnah“ erzählen. Die Doku „Wenn Geschwister eine Behinderung haben“ ist im WDR Doku-Kanal zu finden.

#angst #panik #panikattacken #erwachsenegeschwister #erwachsenegeschwistervonmenschenmitbehinderung #selbsthilfe #psychosomatik #reha #sprichdrüber

Für immer anders – und total normal!

Etwa vier Millionen „Erwachsene Geschwister“ leben in Deutschland. Wo stecken sie, wie leben sie? Was für Sorgen Nöte, Freuden und Besonderheiten machen ihr Leben aus? Was denken, wissen, fühlen sie – und wo könnten sie Unterstützung gebrauchen? Lasst uns drüber reden, und das immer mehr auch öffentlich. „Für immer anders“ ist einer der Versuche, damit anzufangen. Ein Podcast von Dunja Batarilo
 
Dunja ist erwachsene Schwester eines Menschen mit Behinderung. 2021 hat die freie Journalistin im Magazin DER SPIEGEL in einem sehr persönlichen Artikel ihre Angst und Auseinandersetzung mit dem Thema Schwangerschaft mit uns geteilt. 
 
Es geht mir darum, dass wir miteinander ins Gespräch kommen über die Themen, die uns bewegen, und ich möchte dazu beitragen, dass wir sicht- und hörbar werden (füreinander, aber auch für alle anderen, die sich für unsere Situation interessieren oder interessieren sollten). Auch jenseits dieser Facebookgruppe. Ein Podcast schien mir da ein gutes Format.
 
Der Podcast ist auf Spotify, iTunes und anderen gängigen Kanälen, über die ihr so eure Podcasts bezieht zu finden
 
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Beschreibung Folge 7: Die lange Reise zum eigenen Wert – Naomi erzählt

Gibt es typische „Geschwisterverhaltenweisen“? Naomi, 28, sagt: ja. Schonungslos ehrlich erzählt sie von sich selbst und dem Weg, den sie gegangen ist. Von toxischen Beziehungen und der Sucht, gebraucht zu werden. Von einer Kindheit, in der sie neben ihrem schwerst mehrfachbehinderten Bruder sehr alleine war. Von (fehlendem) Selbstwert, Schuldgefühlen und Verantwortung und echten Tiefpunkten — aber auch den Einsichten und Erkenntnissen, die sie weitergebracht haben. „Irgendwann habe ich begriffen: Das bin ja gar nicht ich, die falsch ist“. Und: „Ich habe allen Grund wütend zu sein: Und zwar auf die Strukturen! Unsere Geschwister sind schon unsichtbar in dieser Gesellschaft, und wir sind noch unsichtbarer.“

Naomi hat Soziale Arbeit studiert und engagiert sich für Erwachsene Geschwister. Sie ist auf Instagram unterwegs, wo sie Beiträge über sich und ihre Situation als Schwester

 

https://open.spotify.com/episode/22nMPc9xQS9eaV5S15l1s5

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Beschreibung Folge 6: Autonomie oder Verantwortung? – Gespräch mit Stella

Stella lebt und arbeitet in New York. Ihr Bruder hat das Downsyndrom und lebt in einem Wohnheim. Benachteiligt oder eingeschränkt hat sie sich nie gefühlt, sie ist einfach ihren Weg gegangen. Die Frage: „Warum übernehme ich nicht mehr Verantwortung?“ stellt sich ihr erst, als sie sich verlobt und vor der Frage steht, wo und wie sie leben will. Plötzlich ist da dieser Satz: „Meine Freiheit ist dein Nachteil.“

Wir sprechen über Autonomie und Verantwortung, Fürsorge und Freiheit – und Entfaltungsmöglichkeiten für unsere Geschwister und für uns. Stella wünscht sich mehr Solidarität: „Wenn die Gesellschaft einen kleinen Schritt mehr machen würde, dann wäre das für meinen Bruder ein gigantischer Schritt – und auch für mich.“
 

https://open.spotify.com/episode/4VGCMR5J7bNh2WBNfr3gwI

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Beschreibung Folge 5: Familienplanung und Kinderwunsch – Gespräch mit Barbara

Partner finden, Kinderkriegen – für die meisten Menschen gehört das einfach fraglos zum Leben dazu. Barbara, heute 37, musste für sich feststellen, dass diese Fragen für sie ganz besondere Tücken bereit hielten. Schlussendlich hat sie ein gesundes Baby zur Welt gebracht . Aber, sagt sie: „Der Weg dahin war weit.“ Barbaras Bruder hat das Downsyndrom; ein „normales“ Kind zu bekommen, war für sie keine Selbstverständlichkeit. Ein Gespräch über Zukunftspläne und Schuldgefühle, über Loyalität und Angst, über diagnostische Möglichkeiten und ihre Fallstricke. Über Mut und Sehnsucht, und die Einsicht, dass (neues) Leben ohne Risiko nicht zu haben ist.
 

https://open.spotify.com/episode/05aMq5uRs4RICjoySCTB4d

 

Beschreibung Folge 4: Resilienz für „Geschwisterkinder“ – Gespräch mit Kerstin Kowalewski vom ISPA Augsburg

Wie geht es Kindern, die an der Seite eines Geschwisters mit Behinderung aufwachen? Was erleben sie, was brauchen sie, was macht sie stark? Was beschäftigt Geschwisterkinder, in welchem Alter? Spannend sind solche Fragen auch für Erwachsene Geschwister – denn in uns allen steckt das Kind von damals. Damals wie heute liebt und lacht es, ist solidarisch oder wütend, manchmal auch traurig und überfordert. Kerstin Kowalewski arbeitet seit über zehn Jahren mit Geschwisterkindern, sie hat unter anderem die Ausbildung für Geschwisterfachkräfte mitkonzipiert und dazu beigetragen, dass Seminare für Geschwister im Kindesalter heute von den Krankenkassen bezuschusst werden. Sie hat etliche Geschwisterkinder zum Teil über Jahre hinweg begleitet und erzählt davon, was diese Kinder beschäftigt. Das sind Themen wie Gerechtigkeit und Fairness, Diskriminierung, Wut, Trauer, Verantwortung, Sorge, oft tiefe Liebe. Wir sprechen über existenzielle Fragen und Lösungsansätze – für Kleine wie für Große. Eine Folge, die sich explizit auch an Eltern, Großeltern, LehrerInnen und und alle richtet, die privat oder beruflich mit Geschwisterkindern zu tun haben.
 

https://open.spotify.com/episode/1KIsh0eBn32EnsZeY0v8BJ

Beschreibung Folge 3: Zwangsläufig existenziell – Johanna erzählt ihre Geschichte

Johanna, Mitte zwanzig, hat eine jüngere Schwester mit schwerer mehrfacher Behinderung und hohem Pflegebedarf. Diese Folge erzählt von den Schwierigkeiten, die ein überlastetes Familiensystem mit sich bringen kann, und von den Wegen, die ins eigene Leben führen. Davon, wie das Echo der Vergangenheit heute aussieht, und wie das Jetzt gestaltet werden kann. Und davon, wie wichtig Unterstützungsstrukturen nicht nur für die Menschen mit Behinderung sondern auch für ihre Angehörigen sind. Johannas Botschaft: Passt auf euch auf! Und redet miteinander.
 

https://open.spotify.com/episode/4wskyeF1yKtvKHdOzf6Cpo

Beschreibung Folge 2: Das Geschwister-Dilemma – Gespräch mit Florian Schepper, Psychologe

Florian Schepper ist einer der wenigen, der sich in Deutschland mit Thema „Erwachsene Geschwister“ befasst. Seit über zehn Jahren ist er am Uniklinikum Leipzig tätig, begonnen hat alles mit Geschwistern von krebskranken Kindern. Warum schwere chronische Krankheit und Behinderung sich auf die Familien oft ähnlich auswirken, was „Geschwisterkinder“ auszeichnet, in der Kindheit und lebenslang, vor welchen besonderen Herausforderungen sie stehen und was helfen kann, wenn die Wogen besonders hoch schlagen – darüber sprechen wir in dieser Folge.
 

https://open.spotify.com/episode/6KRKNtKXauoAKDs8uHOqTP?si=z91I2fW9TK2wIflBPj0-cQ&nd=1

Beschreibung Folge 1: Du bist nicht allein! Geschwister brauchen eine Lobby. Gespräch mit Sascha Velten

Sascha Velten hat einen Bruder mit schwerer mehrfacher Behinderung. Total normal – für ihn. Und überhaupt kein Ding. Oder? Dass die familiäre Situation nicht nur toll sondern auch eine Belastung ist, wurde ihm erst klar, als er im Erwachsenenalter plötzlich Panikattacken bekam. Es folgten ein Reha-Aufenthalt, jede Menge innere und äußere Auseinandersetzung, Vernetzung mit anderen Geschwistern – und der Gang an die Öffentlichkeit. Sascha ist einer der wenigen, der über seine Situation als Bruder eines Menschen mit Behinderung ganz offen spricht. Für ihn ist klar: „Wir brauchen eine Lobby!“

https://open.spotify.com/episode/6kNh1nRLp62XPtc7aBvkvc?si=OhSOdyOVS-eVjfow8XNIVw

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Erwachsene Geschwister werden erforscht

Unsere Initiative erwachsene-geschwister.de hat sich auch zum Ziel gesetzt, den Herausforderungen und Bedarfen von erwachsenen Geschwistern von Menschen mit Behinderung in der Öffentlichkeit eine größere Sichtbarkeit zukommen zu lassen.

Damit noch viel mehr unterstützende Angebote für uns erwachsene Geschwister entstehen können, ist es wichtig, dass unsere Themen auch in wissenschaftlichen Untersuchungen erforscht und dokumentiert werden. Nur so wird es möglich sein, dass notwendige Angebote und Unterstützungsleistungen finanziert werden und entstehen können.

Monika Laumann ist eine dieser Forscherinnen. Im Rahmen ihrer Promotion trägt sie dazu bei, dass fundiertes, belastbares Wissen über unsere Themen und Herausforderungen entsteht. Dafür hat sie einen Fragebogen entwickelt, der sich an uns erwachsene Geschwistern von Menschen mit Behinderung richtet. Wir haben mit Monika gesprochen.

Wer bist du und wie bist du zu dem Thema gekommen? Was ist deine Motivation?
Ich heiße Monika Laumann, bin Sozialarbeiterin und Heilpädagogin. Seit 2017 arbeite ich als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Katholischen Hochschule NRW in Münster in verschiedenen Forschungsprojekten zu Menschen mit Behinderung. In meinem Masterstudium habe ich im Rahmen eines kleinen Projekts Studierende befragt, die Geschwister von Menschen mit Behinderung sind. Seitdem möchte ich mehr über die Lebenssituation von Geschwistern von Menschen mit Behinderung erfahren. Ich denke, dass es wichtig ist ihre Anliegen und Themen weiter voranzubringen und mehr Wissen über diese Personengruppe zu erlangen.

Du hast dir einen ersten Überblick über den Forschungsstand und Angebote für erwachsene Geschwister gemacht. Wie siehst du die Lage?
Insgesamt gibt es wenig Wissen über erwachsene Geschwister von Menschen mit Behinderung. Es gibt ein paar Forscherinnen und Forscher in den USA, die in den letzten Jahren wichtige Erkenntnisse gebracht haben, aber in den meisten Forschungen liegt der Fokus auf Kindern und Jugendlichen. In der deutschen Forschung gibt es nur sehr wenige, die sich mit dieser Personengruppe auseinandersetzen, obwohl viele Menschen mit Behinderung auch im Erwachsenenalter eine enge Beziehung zu ihrer Herkunftsfamilie halten und diese Personen eine wichtige Bedeutung einnehmen können. Meines Erachtens fehlen auch noch vielfältige und flächendeckende Angebote sowie Informationsmaterialien für Geschwister, die z.B. bei Entscheidungsfindungen oder rechtlichen Fragen helfen können. Das motiviert mich sehr, mich in meiner Promotion genau damit auseinanderzusetzen.

Was kannst du uns zu dem Fragebogen erzählen, den du entwickelt hast?  Welche Themenbereiche deckt dieser ab? Wie ist er aufgebaut?
Ich habe im Rahmen meiner Promotion einen Fragebogen veröffentlicht, der sich an erwachsene Geschwister von Menschen mit Behinderung richtet und unter https://limesurvey.katho-nrw.de/index.php/642676?lang=de bis Ende Januar 2021 abrufbar ist. Ich möchte darstellen welche Rollen oder Unterstützungsleistungen sie gegenüber ihrer Schwester/ ihrem Bruder mit Behinderung übernehmen. Dazu benötige ich Informationen über die Teilnehmenden, den Mensch mit Behinderung sowie der Herkunftsfamilie. Dann frage ich verschiedene Unterstützungsleistungen und Zukunftsthemen ab. Am Ende können die Teilnehmenden auch noch angeben was ihnen z.B. im Fragebogen fehlte oder was sie schwierig fanden. Selbstverständlich sind alle Angaben anonym und es sind keine Rückschlüsse auf die Teilnehmenden möglich. Weitere Informationen gibt es auch auf der Seite geschwister.institut-teilhabeforschung.de .

Wie wirst du die Antworten aus den Fragebögen weiter verarbeiten und wie werden diese in deine Arbeit einfließen? Wann glaubst du wirst du deine Arbeit veröffentlichen?
Ich werde aufzeigen welche Unterstützungsleistungen in welchem Umfang tatsächlich von Geschwistern übernommen werden. Dies könnte z.B. für Anbieter interessant sein, die Angebote und Materialien für Geschwister entwickeln möchten. Außerdem werde ich die Antworten mit Merkmalen der Geschwister, der Menschen mit Behinderung und der Herkunftsfamilie, wie z.B. Geschlecht, Wohnortsentfernung in Verbindung bringen. So lässt sich vielleicht darstellen welche Merkmale Unterstützungsleistungen begünstigen oder eben nicht. Wichtig ist dabei natürlich immer, zu betrachten welche Unterstützungsleistungen denn überhaupt von dem Menschen mit Behinderung benötigt werden. Englischsprachige Fragebögen waren z.T. die Grundlage für diesen Fragebogen, sodass die Erkenntnisse aus dieser Arbeit auch mit internationalen Erkenntnissen verglichen werden können. Vermutlich wird die Auswertung und die Veröffentlichung noch viel Zeit in Anspruch nehmen, sodass ich davon ausgehe, dass ich zu Beginn 2023 meine Arbeit veröffentliche. Gerne berichte ich dann auch bei erwachsene-geschwister.de darüber.

Welche anderen Fragestellungen in Sachen „Erwachsene-Geschwister“ findest du noch spannend, die du aber noch nicht hast einfließen lassen können?
Da gibt es eine ganze Menge an Fragestellungen: Beispielsweise fände ich es spannend alle Geschwister aus einer Familie zu befragen, also auch die Person mit Behinderung, um so alle Perspektiven kennenzulernen. Dies wäre auch durch Beobachtungen möglich. Desweiteren wären Studien hilfreich, die dieselben Personen in wiederkehrenden Abständen befragen, sodass wir die Entwicklung in verschiedenen Lebensphasen aufzeigen können. Auch mögliche Konsequenzen für das Erwachsenenleben, wie z.B. der Berufs- oder Partnerwahl, sollten näher betrachtet werden. Und das sind nur einige Ideen…

Damit Monika möglichst zahlreiche Daten bekommt, fordern wir alle Geschwister auf, mitzumachen. Füllt den Fragebogen selbst aus und gebt den Link auch an andere weiter!

Hier noch mal der Link zum Fragebogen: https://limesurvey.katho-nrw.de/index.php/642676?lang=de

Mehr als ein Bruder – Menschen hautnah

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  • Vierzig Jahre lang sind die Brüder Sascha und Marcel ein Herz und eine Seele. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass Marcel seit seiner Geburt schwer körperbehindert ist, weder sprechen noch laufen kann und seine Behinderung allen Familienmitgliedern einen großen Einsatz abverlangt. Nie hat Sascha seinen Bruder als Belastung wahrgenommen, nie hat er das Gefühl gehabt, in seinem Schatten zu stehen. Doch dann, am sechzigsten Geburtstag ihres Vaters, geschieht etwas, mit dem niemand gerechnet hätte: Der gesunde, hilfsbereite und jederzeit abrufbare Sascha stürzt in eine schwere psychische Krise, die ihn monatelang schachmatt setzt und seine Angehörigen ratlos zurück lässt. Was war passiert? Nach intensiven therapeutischen Gesprächen wird klar, dass die Anforderungen durch die Behinderung seines Bruders nicht spurlos an Sascha vorbei gegangen sind. Dass jetzt, wo die Eltern alt werden, ein ganz wichtiges Thema auf den Tisch muss, dem die Familie bisher ausgewichen ist: Wie soll es werden, wenn die Eltern einmal nicht mehr da sind? Was erwarten die Eltern und Marcel von Sascha? Soll er dann die ganze Verantwortung für seinen behinderten Bruder übernehmen? Wir begleiten die Familie über mehrere Monate in ihrem Diskussionsprozess. Die Doku zeigt eindrucksvoll, welche Stärke eine Familie entwickeln kann, wenn sie sich wichtigen bislang unausgesprochenen und schmerzhaften Themen offen stellt. Sie gibt einen Einblick in Grenzsituationen der Überforderung und zeigt gleichzeitig einfühlsam auch die besondere Nähe zwischen den beiden Brüdern. (Text: WDR)

    Deutsche Erstausstrahlung: Do 24.09.2015 WDR

    Der Film ist in der WDR Mediathek bis Mai 2020 zu finden.

    Ebenso im WDR doku Kanal auf Youtube

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Ukraine – Die Kozijavkin-Methode

Heute möchte ich eine Geschichte erzählen. Eine Geschichte von einem Aufenthalt in einem Sanatorium in der Ukraine.

Marcel mit Professor und Team

Es muss so etwa 1994 gewesen sein. Da gab es diese komische Sendung Schreinemakers, die einmal die Woche einen ganzen Abend lang lief. Ich glaube – oder vielleicht hoffe ich das auch nur –, dass ich die Sendung selbst gar nicht geschaut habe. Aber diese Frau Schreinemakers hatte in ihrer Sendung Gäste. Und da war auch dieser Professor aus der Ukraine: Prof. Kozijavkin. Seine Spezialität war die Manuelle Therapie, eine Therapieform, die es ja eigentlich schon Jahrhunderte gibt. Dennoch war – und ist es vielleicht immer noch – seine Methode etwas besonderes. Besonders für uns war damals schon mal überhaupt, dass im Fernsehen ein solcher Arzt vorgestellt wurde, der sich ja eher auf eine Randgruppe der deutschen Fernsehzuschauerwelt spezialisiert hatte. Diese Methode wird nämlich z.B. bei Patienten mit infantiler Zerebralparese angewandt. Mein Bruder Marcel ist solch ein Patient.

Die Berichte waren so faszinierend, dass wir uns etwas näher damit beschäftigten. Eine Behandlung dauert knapp zwei Wochen und wird in einem Sanatorium in der Nähe von Liviv (Lemberg) angeboten. Die Kosten damals betrugen etwa 10.000 DM. Natürlich war unsere Krankenkasse nicht bereit, eine solche Behandlung zu bezahlen. Gleichwertige Angebote in Deutschland gab es damals aber auch nicht. Also hat die ganze Familie zusammengelegt. Besser gesagt, die Eltern opferten ihr Gespartes für die Silberhochzeitsreise nach Hawaii, damit wir dieses Experiment durchführen konnten. Wir, das waren Marcel, unsere Mutter und ich.

Landung  um Mitternacht am Geisterflughafen von Liviv

Endlich war es dann soweit. Der Tag der Abreise war da. Eine große Chartermaschine stand am Frankfurter Flughafen für die Behandlungsgruppe bereit. Dabei war es schon sehr merkwürdig, in ein Flugzeug mit ca. 100 Behinderten oder Versehrten verschiedenen Alters zu steigen, um gemeinsam zu diesem „Wunderheiler“ zu fliegen. Das ganze Flugzeug war voll mit Patientinnen und Patienten und deren Begleitungen. Nicht unüblich für diese Jahreszeit – es war Anfang Dezember – schneite es und der Flug konnte erst mit vier Stunden Verspätung starten. Das bedeutete – wen wundert’s – auch eine verspätete Landung in Liviv. Es war nach Mitternacht und der Flughafen war eigentlich bereits geschlossen. Das Flugzeug konnte zwar landen, Personal oder Abfertigung gab es aber nicht mehr. Wir warteten also im Flugzeug, bis das Ukrainische Militär mit seinen riesig großen Mützen unsere Pässe kontrolliert hatte. Danach durften wir aussteigen. Drei oder vier Reisebusse standen für uns bereit, wobei diese Fahrzeuge in Deutschland sicherlich keinen Meter hätten fahren dürfen. Jetzt mussten wir erst einmal das Gepäck aus dem Flugzeug ausladen. Also wir selbst mussten das tun! Wir kletterten also in den Gepäckraum des Fliegers und holten die Rollstühle, Koffer und Taschen heraus, um sie in den Bussen zu verstauen. Das war schon nach nur einer Stunde in der Ukraine ein echt skurriles Erlebnis! Männer mit so großen Mützen wie im Comic und dann selbst das Flugzeug ausladen. Und es sollte skurril bleiben!

Wir wurden jetzt mit einer Polizeieskorte in einem Hochgeschwindigkeitstransport in das etwa 100 km entfernte Sanatorium nach Truskavetz überführt. Polizeimotorräder fuhren vor, um die Kreuzungen für die hinter Sirenen und Blaulicht heranrasenden Busse zu sperren. Waren die Busse vorbei, fuhren die Mopeds wieder hinterher, überholten und sperrten die nächste Kreuzung. Rote Ampeln? Spielten keine Rolle. Ich weiß nicht, wie heute die Straßen in dieser Gegend sind. Damals waren sie schlecht. Diese zweistündige Fahrt war damit eigentlich schon unsere erste manuelle Therapie in der Ukraine. Ich saß mit Marcel weit vorne und obwohl es so spät war, mussten wir viel grinsen, weil es so unwirklich war und weil das Geschaukel und Gehüpfe so unglaublich war.

Kakerlakenalarm

imageIrgendwann in der Nacht waren wir am Bestimmungsort und bekamen unsere Zimmer zugeteilt. Ich hatte ein Einzel-, meine Mutter und Marcel ein Doppelzimmer. Unsere Mutter war zutiefst geschockt von der Unterbringung. Es war halt einfach. Sehr einfach! Es war zum Heulen! Wir sollten später noch lernen, dass man mit doppelseitigem Klebeband, Kakerlaken davon abhalten kann, die Wände hoch zu laufen…

Noch geschockt von der Unterbringung, durften wir am kommenden Tag feststellen, dass auch die Verpflegung einfach war. Sehr einfach! Routinierte Besucher hatten sich Lebensmittel aus Deutschland mitgebracht, damit der Tag mit einer guten Nussnougat Creme beginnen konnte. Ich wusste auch gar nicht, dass man so vieles aus Kartoffeln und Kohl kochen kann. Ich erinnere mich an die Ravioli. Aus Kartoffelteig mit Kartoffelbrei als Füllung. Mmhh! Aber wir waren ja nicht auf einer Schlemmerreise!

Einrenken mit Lachgarantie und Bienenstichtherapie

Die Behandlungen waren wirklich außergewöhnlich. Die Idee dieser Methode ist ja, dass Blockaden in der Wirbelsäule gelöst werden, die zum Teil für falsche Bewegungsmuster verantwortlich sind. Wenn dann alle Blockaden gelöst sind, können neue Bewegungsmuster trainiert werden. Marcel hatte jeden Tag mehrere Behandlungen, an deren Ablauf ich mich im Detail nicht mehr erinnere. Die Hauptbehandlung war das tägliche Einrenken der Wirbelsäule durch den Professor persönlich. Das hat immer total laut geknackst, und Marcel musste dabei immer so herrlich lachen. Dann gab es auch eine Bienenstichtherapie. Da kam dann die Olga mit einem kleinen Minikäfig, mit ein paar Bienen, hat die mit einer Pinzette genommen und an ausgewählte Stellen – ich glaube am Arm – zustechen lassen. Weiter gab es Bienenwachs-Wadenwickel, Sport und Krankengymnastik. Jeden Tag, den ganzen Tag lang. Eine unglaublich anstrengende Prozedur, deren erstes Ziel, die alten Muster zu „brechen“, nach ein paar Tagen erreicht war. Marcel war dermaßen platt, dass er gar nicht mehr selbst vor uns stehen konnte, wie vorher, sondern sofort zusammengesackte. Das war aber Strategie! Ich habe mich übrigens auch einmal einrenken lassen. Zwar nicht vom großen Meister persönlich, sondern von seinem Vertreter. Aber ich muss sagen, es war großartig! Ich musste genau wie Marcel auch lachen und es hat die ganze Wirbelsäule hoch und runter geknackt. Nach dieser Behandlung bin ich den ganzen Tag auf „Wolke 7“ geschwebt. Und ich war so gelenkig, wie nie zuvor – und nie mehr danach.
Der Tagesablauf hatte uns zwar fest im Griff, dennoch waren die Umstände belastend und Möglichkeiten sehr eingeschränkt. Es gab zwar abends ab und zu etwas Unterhaltungsprogramm, aber so doll war das alles nicht. Auf einem Zimmer im Sanatorium hatte eine alte Frau ein kleines Geschäft eingerichtet, wo ich mir schon mal einen hoffentlich nicht zu sehr gepanschten Wodka kaufte. Täglich gab es Stromausfälle, obwohl Tschernobyl schon einige Jahre zurück lag. Wir hatten aber das Glück, nie in einem Aufzug stecken zu bleiben. Dieses Glück hatten nicht alle!

Am Fuße der Karpaten im Schnee

Am Fuße der Karpaten im Schnee

Truskavetz liegt am Fuße der Karpaten. Da war natürlich auch Winter. Also richtig viel Winter. Landschaftlich sehr schön! Und es war auch schön, dort durch den Schnee spazieren zu gehen. Dann aber hörten wir die Geschichten aus dem Vorjahr, in der eine Patientengruppe so arg eingeschneit wurde, dass der Rückflug nicht möglich war. Was für ein schrecklicher Gedanke! Wir hatten die Nase voll, trotz toller Behandlung sehnten wir uns sehr nach Zuhause. Die Gruppe aus dem Vorjahr war letztlich von einem Transportflugzeug des Roten Kreuzes abgeholt worden, die vermutlich auf Skiern in Liviv landen konnte. Dieses Abenteuer blieb uns glücklicherweise erspart!

Lahme konnten gehen

Irgendwann war die Zeit rum. Trotz Schnee konnte unser Charterflieger landen, und wir wurden aus dieser besonderen Umgebung herausgeholt. Für unsere Mutter kam es einer Befreiung gleich. In Frankfurt konnten tatsächlich mehr Leute zu Fuß das Flugzeug verlassen, als beim Start zwei Wochen zuvor. Der Wunderheiler hatte es also geschafft: Lahme konnten gehen – naja Blinde waren keine da, sonst könnten die jetzt wohl sehen.

Und was hat uns diese Reise jetzt eigentlich gebracht? Also mir ein sehr skurriles Erlebnis, von dem ich hier erzählen kann und an das ich eigentlich eher positiv zurückdenke. Unserer Mutter, ein fast traumatisches Erlebnis, was Lebensumstände und Unterbringung angeht. Sie ekelt sich noch heute, wenn sie an die 6-beinigen Mitbewohner von damals denkt. Meinem Bruder Marcel ein erst einmal sehr gutes Gefühl, intensiv an sich gearbeitet zu haben. Zunächst auch Verbesserungen in seinen Bewegungen. Leider war das nicht von allzu langer Dauer, weil so eine einzelne Behandlung bei weitem nicht ausreicht. Nicht umsonst gibt die Klinik heute Rabatte für den 10., 20. und 25. Aufenthalt. Aber wer kann sich das schon leisten? Die Krankenkassen wohl nicht!

Hier noch ein paar Links zu der Methode und dem Sanatorium. Schon als wir dort waren, hatte der Professor uns den Neubau gezeigt, der für dortige Verhältnisse Luxus versprach. Ich denke, dass man heute dort eine gute Unterbringung vorfindet.

Notiz: Mein Bruder liegt allein daheim

NotizEs gibt Erlebnisse in meinem Leben, die mich vielleicht in irgendeiner Form geprägt haben. Manche Situationen verbinde ich in der Erinnerung mit Gefühlen, die ich heute gar nicht mehr so nachvollziehen kann. Je intensiver ich über eine solche Situation nachdenke, desto so mehr stelle ich in Frage, dass ich immer ehrlich zu mir war mit diesen Gefühlen. Ich habe wohl ein paar Dinge anders „weggepackt“ oder „gespeichert“ als es wirklich war. Das hat bestimmt gute Seiten und bringt Vorteile. Das kann aber auch wie ein Bumerang irgendwann wieder zurück kommen. Und dann wollen die vergrabenen Gefühle auch ein bisschen Anerkennung.

Ich war schon 18 Jahre und hatte einen Führerschein. Und eine Freundin hatte ich auch. Es kam schon mal vor, dass meine Eltern vielleicht übers Wochenende ein paar Tage vereist waren. Mein Bruder und ich hatten dann also sturmfrei. Wenn ich an einem solchen Abend meine Freundin spät nach Hause brachte, manchmal auf meinem Motorrad, dann lag mein Bruder oft schon im Bett. Nicht, dass ich ein todesmutiger Motorrad- oder Autofahrer gewesen wäre, aber allein schon das Wissen darum, dass Unfälle passieren können, war ein Anlass für mich, in diesen Momenten einen kleinen Notizzettel im Portemonnaie zu tragen, auf dem notiert war, dass mein schwerbehinderter hilfebedürftiger Bruder allein daheim im Bett lag. Das sollte sicherstellen, dass in möglichen furchtbaren Situationen, jemand meinen Bruder zu Hause „befreien“ könnte.

Eigentlich ist das ja eine tolle, sehr verantwortungsvolle Handlung, die ich da beschrieben habe. Sehr verantwortungsbewusst! Toller Typ! So habe ich das auch lange für mich in meiner Erinnerung verpackt.
Erst vor kurzem, in Gesprächen mit anderen über diese Situation, wurde mein Blick auch mal darauf  gerichtet, dass das vielleicht auch ein wenig blöd damals war. Wäre es vielleicht nicht noch schöner gewesen, nicht so vernünftig zu sein? Nicht so verantwortungsvoll zu sein? Sondern sich einfach nur um mich zu kümmern und nur an mich zu denken?

Sascha und Marcel

Marcel und SaschaIch bin Sascha, 40 Jahre alt. Ich bin verheiratet und habe zwei Kinder. Ich lebe mit meiner Familie in Köln.

Mein Bruder Marcel ist drei Jahre jünger als ich und von Geburt an schwerst körperbehindert. Er sitzt im Rollstuhl und ist in allen Belangen auf Hilfe angewiesen. Einzig fürs Denken braucht er keine Unterstützung. Marcel kann nicht sprechen. Er kann sich durch Kopfnicken und Kopfschütteln, sowie mit einer Kommunikationstafel verständigen. Dazu klopft er mit den Händen Zahlen, die ein bestimmtes Feld auf der Tafel bedeuten. Dies funktioniert allerdings auch nur mit Menschen, die Marcel bereits sehr gut kennen. Zur unterstützten Kommunikation nutzt Marcel auch eine elektronische Kommunikationshilfe, einen Sprachcomputer. Dies versetzt ihn im Prinzip in die Lage auch mit Menschen zu reden, die seine „Geheimsprache“ nicht verstehen. Leider ist die Ansteuerung dieses Sprachcomputers schwierig und langwierig, so dass auch hier die Kommunikation stark eingeschränkt ist.

Marcel hat eine Baclofenpumpe und einen Hirnschrittmacher implantiert, die dabei helfen, die Spastik und seine Bewegungsmuster zu verbessern.

Marcel wohnt ganz in meiner Nähe in einer eigenen kleinen Wohnung. Es hat persönliche Assistenten, die rund um die Uhr bei ihm Dienst machen. Früher hat Marcel in einer Wohngemeinschaft eines Wohnheims gelebt. Trotz des guten Betreuungsschlüssels dort, war diese Wohnform für die Schwere der Behinderung nicht angemessen. Arbeiten tut Marcel in den Gemeinnützigen Werkstätten für Behinderte in Köln (GWK).

Unsere Eltern gehen gerade mal auf die 65 Jahre zu und sind entsprechend fit. Sie unterstützen Marcel intensiv in allen Belangen. Sie unterstützen täglich in organisatorischen, gesundheitlichen, beruflichen und privaten Aspekten.

Bereits in der Kindheit und Jugend waren ich sehr engagiert z.B. in Vereinen, die das gemeinsame Leben behinderter und nicht behinderter Menschen fördern. Wir haben Freizeitangebote für diese Personengruppen organisiert und vieles mehr. Dieser integrative Aspekt war sehr früh für mich ein Thema. Dabei kam es zwar auch schon mal zum Austausch mit anderen Geschwisterkindern, allerdings nie bewusst mit dem Ziel unsere Geschwisterkinder-Problematik zu thematisieren. Um so mehr habe ich heute das Bedürfnis und freue mich Gleichgesinnte gefunden zu haben und einen offenen Austausch mit hoffentlich noch vielen anderen Menschen mit anstoßen zu können.

 

Wo sind mehr von uns?

By SeptemberWoman (Own work) [CC-BY-SA-3.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0)], via Wikimedia Commons

By SeptemberWoman (Own work) [CC-BY-SA-3.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0)], via Wikimedia Commons

Es gibt Menschen mit Behinderung! Und es gibt die Geschwister von Menschen mit Behinderung.

Ich bin so ein Geschwister!

Da müssen doch noch andere rumlaufen, die genau wie ich in einer solchen Situation sind. Die auch einen Bruder oder eine Schwester mit einer Behinderung haben. Die auch Eltern haben, die heute noch fit sind. Die vielleicht die gleichen Sorgen bewegen wie mich? Die auch mal schlecht schlafen? Die auch nicht ahnen können, was sie in Zukunft erwartet. Wie kann ich die nur finden? Finden, um mich mit denen auszutauschen?

Diese Fragen bewegten mich im November 2013, als ich mal wieder im Internet nach diesen “Geschwisterkindern” stöberte. Ich wusste schon, dass dieser Suchbegriff in die richtige Richtung geht. Aber meist geht es um Angebote für Kinder und Jugendliche. Ich freue mich, dass es heute dafür ein Netzwerk gibt. Als ich ein Kind und Jugendlicher war, war das noch nicht so richtig Thema.

In einem Forum fand ich dann den für mich entscheidenen Beitrag. Da hatte eine Frau genau MEINE Geschichte erzählt! In nur ein paar Sätzen. Ok, ein paar Details etwas anders, aber im Kern meine Situation und mein Wunsch nach Austausch!

Dies hier war der Beitrag:

suche Kontakte

Hallo,

ich bin 39 Jahre alt, habe einen Bruder, der Spastiker und 5 Jahre älter ist. Meine Eltern sind 72 und noch fit, dennoch drückt die Verantwortung wie ein schwere Last auf meine Schulter, in Hinblick darauf, dass meine Eltern immer älter werden und irgendwann einmal nicht mehr da sind. Ich selbst habe einen Mann und zwei Kinder und „eigentlich“ sind die äußeren und meine familiären Umstände wirklich super. Aber die Angst vor der Zukunft bezüglich meines Bruders raubt mir sehr viel Energie. Ich leide unter Schlafstörungen und habe manchmal Panikattacken. Für meinen Mann und meine Freunde sind meine Ängste schwer nachvollziehbar. Deshalb suche ich Menschen zum Austausch, die mich vestehen, um mich weniger einsam zu fühlen.
Über Kontakte freue ich mich sehr!

Doddi73

VOLLTREFFER, dache ich. Und eine Reaktion auf den Thread gab es auch! Ein Mann, der auch erstaunt feststellte, nicht allein mit diesem Thema auf dem Planet zu sein. Leider war der Beitrag von Doddi73 schon mehr als ein halbes Jahr alt und die Autorin schon nicht mehr in dem Forum registriert. Auf meine Antwort auf diesen Beitrag erfolgte keine Reaktion. Aber den Kontakt zu dem antwortenden Mann konnte ich herstellen. Amir. Mein Alter, meine Situation, sogar meine Stadt.

So kamen also Amir und ich ins Gespräch und entwickelten bei einem Kaffee die Idee zu dem Geschwistermeeting und diesem Blog.

Nachtrag:
Wochen später konnte ich Doddi73 (Susanne) doch noch ausfindig machen! Susanne, Amir und ich, wir haben uns alle drei riesig gefreut und stehen jetzt in regem Austausch.