Erwachsene Geschwister werden erforscht

Unsere Initiative erwachsene-geschwister.de hat sich auch zum Ziel gesetzt, den Herausforderungen und Bedarfen von erwachsenen Geschwistern von Menschen mit Behinderung in der Öffentlichkeit eine größere Sichtbarkeit zukommen zu lassen.

Damit noch viel mehr unterstützende Angebote für uns erwachsene Geschwister entstehen können, ist es wichtig, dass unsere Themen auch in wissenschaftlichen Untersuchungen erforscht und dokumentiert werden. Nur so wird es möglich sein, dass notwendige Angebote und Unterstützungsleistungen finanziert werden und entstehen können.

Monika Laumann ist eine dieser Forscherinnen. Im Rahmen ihrer Promotion trägt sie dazu bei, dass fundiertes, belastbares Wissen über unsere Themen und Herausforderungen entsteht. Dafür hat sie einen Fragebogen entwickelt, der sich an uns erwachsene Geschwistern von Menschen mit Behinderung richtet. Wir haben mit Monika gesprochen.

Wer bist du und wie bist du zu dem Thema gekommen? Was ist deine Motivation?
Ich heiße Monika Laumann, bin Sozialarbeiterin und Heilpädagogin. Seit 2017 arbeite ich als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Katholischen Hochschule NRW in Münster in verschiedenen Forschungsprojekten zu Menschen mit Behinderung. In meinem Masterstudium habe ich im Rahmen eines kleinen Projekts Studierende befragt, die Geschwister von Menschen mit Behinderung sind. Seitdem möchte ich mehr über die Lebenssituation von Geschwistern von Menschen mit Behinderung erfahren. Ich denke, dass es wichtig ist ihre Anliegen und Themen weiter voranzubringen und mehr Wissen über diese Personengruppe zu erlangen.

Du hast dir einen ersten Überblick über den Forschungsstand und Angebote für erwachsene Geschwister gemacht. Wie siehst du die Lage?
Insgesamt gibt es wenig Wissen über erwachsene Geschwister von Menschen mit Behinderung. Es gibt ein paar Forscherinnen und Forscher in den USA, die in den letzten Jahren wichtige Erkenntnisse gebracht haben, aber in den meisten Forschungen liegt der Fokus auf Kindern und Jugendlichen. In der deutschen Forschung gibt es nur sehr wenige, die sich mit dieser Personengruppe auseinandersetzen, obwohl viele Menschen mit Behinderung auch im Erwachsenenalter eine enge Beziehung zu ihrer Herkunftsfamilie halten und diese Personen eine wichtige Bedeutung einnehmen können. Meines Erachtens fehlen auch noch vielfältige und flächendeckende Angebote sowie Informationsmaterialien für Geschwister, die z.B. bei Entscheidungsfindungen oder rechtlichen Fragen helfen können. Das motiviert mich sehr, mich in meiner Promotion genau damit auseinanderzusetzen.

Was kannst du uns zu dem Fragebogen erzählen, den du entwickelt hast?  Welche Themenbereiche deckt dieser ab? Wie ist er aufgebaut?
Ich habe im Rahmen meiner Promotion einen Fragebogen veröffentlicht, der sich an erwachsene Geschwister von Menschen mit Behinderung richtet und unter https://limesurvey.katho-nrw.de/index.php/642676?lang=de bis Ende Januar 2021 abrufbar ist. Ich möchte darstellen welche Rollen oder Unterstützungsleistungen sie gegenüber ihrer Schwester/ ihrem Bruder mit Behinderung übernehmen. Dazu benötige ich Informationen über die Teilnehmenden, den Mensch mit Behinderung sowie der Herkunftsfamilie. Dann frage ich verschiedene Unterstützungsleistungen und Zukunftsthemen ab. Am Ende können die Teilnehmenden auch noch angeben was ihnen z.B. im Fragebogen fehlte oder was sie schwierig fanden. Selbstverständlich sind alle Angaben anonym und es sind keine Rückschlüsse auf die Teilnehmenden möglich. Weitere Informationen gibt es auch auf der Seite geschwister.institut-teilhabeforschung.de .

Wie wirst du die Antworten aus den Fragebögen weiter verarbeiten und wie werden diese in deine Arbeit einfließen? Wann glaubst du wirst du deine Arbeit veröffentlichen?
Ich werde aufzeigen welche Unterstützungsleistungen in welchem Umfang tatsächlich von Geschwistern übernommen werden. Dies könnte z.B. für Anbieter interessant sein, die Angebote und Materialien für Geschwister entwickeln möchten. Außerdem werde ich die Antworten mit Merkmalen der Geschwister, der Menschen mit Behinderung und der Herkunftsfamilie, wie z.B. Geschlecht, Wohnortsentfernung in Verbindung bringen. So lässt sich vielleicht darstellen welche Merkmale Unterstützungsleistungen begünstigen oder eben nicht. Wichtig ist dabei natürlich immer, zu betrachten welche Unterstützungsleistungen denn überhaupt von dem Menschen mit Behinderung benötigt werden. Englischsprachige Fragebögen waren z.T. die Grundlage für diesen Fragebogen, sodass die Erkenntnisse aus dieser Arbeit auch mit internationalen Erkenntnissen verglichen werden können. Vermutlich wird die Auswertung und die Veröffentlichung noch viel Zeit in Anspruch nehmen, sodass ich davon ausgehe, dass ich zu Beginn 2023 meine Arbeit veröffentliche. Gerne berichte ich dann auch bei erwachsene-geschwister.de darüber.

Welche anderen Fragestellungen in Sachen „Erwachsene-Geschwister“ findest du noch spannend, die du aber noch nicht hast einfließen lassen können?
Da gibt es eine ganze Menge an Fragestellungen: Beispielsweise fände ich es spannend alle Geschwister aus einer Familie zu befragen, also auch die Person mit Behinderung, um so alle Perspektiven kennenzulernen. Dies wäre auch durch Beobachtungen möglich. Desweiteren wären Studien hilfreich, die dieselben Personen in wiederkehrenden Abständen befragen, sodass wir die Entwicklung in verschiedenen Lebensphasen aufzeigen können. Auch mögliche Konsequenzen für das Erwachsenenleben, wie z.B. der Berufs- oder Partnerwahl, sollten näher betrachtet werden. Und das sind nur einige Ideen…

Damit Monika möglichst zahlreiche Daten bekommt, fordern wir alle Geschwister auf, mitzumachen. Füllt den Fragebogen selbst aus und gebt den Link auch an andere weiter!

Hier noch mal der Link zum Fragebogen: https://limesurvey.katho-nrw.de/index.php/642676?lang=de

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